Das Erbrecht regelt, was mit dem Vermögen einer Person nach ihrem Tod geschieht. Eine wichtige Rolle im Erbrecht spielt der Pflichtteil, der bestimmten Angehörigen des Erblassers zusteht. Der Pflichtteil ist ein Mindestanteil am Erbe, auf den bestimmte Personen einen Anspruch haben, selbst wenn sie vom Erblasser enterbt wurden. Im vorliegenden Artikel soll es um den Pflichtteil im Erbrecht gehen und insbesondere um häufig gestellte Fragen wie „Wie hoch ist der Pflichtteil?“ und „Unter welchen Umständen kann der Pflichtteil umgangen werden?“.

Um diese Fragen zu beantworten, werden im Folgenden die rechtlichen Grundlagen zum Pflichtteil erläutert sowie Besonderheiten und Ausnahmen bei der Berechnung und Durchsetzung des Pflichtteils dargestellt. Auch auf die Bedeutung des sogenannten Berliner Testaments für den Pflichtteil wird eingegangen. Abschließend werden Handlungsempfehlungen für Erblasser gegeben, um den Pflichtteil im Erbfall angemessen zu berücksichtigen.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Foto eines Geldbeutels aus Porzellan zum Thema Pflichtteil und Erbrecht

Der Pflichtteil im Erbrecht ist ein Mindestanteil am Vermögen des Erblassers, auf den bestimmte Personen Anspruch haben, selbst wenn sie im Testament des Erblassers nicht berücksichtigt wurden. Die Höhe des Pflichtteils ist gesetzlich festgelegt und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der gesetzliche Erbteil wiederum richtet sich danach, in welchem Verwandtschaftsverhältnis die betreffende Person zum Erblasser steht.

Bei einem gesetzlichen Erbteil von einem Drittel (z.B. wenn es drei gesetzliche Erben gibt) beträgt der Pflichtteil demnach die Hälfte von einem Drittel, also 1/6 des Nachlasses. Bei einem gesetzlichen Erbteil von einem Viertel (z.B. wenn es vier gesetzliche Erben gibt), beträgt der Pflichtteil demnach ebenfalls 1/4 des Nachlasses. Die Höhe des Pflichtteils kann jedoch variieren, wenn es Besonderheiten gibt, wie beispielsweise bei einem Berliner Testament oder wenn es einen Alleinerben gibt.

Quelle: SWR Marktcheck

Besondere Situationen beim Pflichtteil

Auch wenn es grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil gibt, gibt es Ausnahmen und besondere Situationen, die zu beachten sind. So kann es beispielsweise trotz eines Testaments einen Anspruch auf den Pflichtteil geben. Dies ist der Fall, wenn der Erblasser bestimmte Pflichtteilsberechtigte im Testament enterbt hat, diese aber dennoch einen Anspruch auf ihren Pflichtteil geltend machen können.

Auch Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, können Auswirkungen auf den Pflichtteil haben. Hierbei geht es um den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch, bei dem Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers unter bestimmten Umständen zum Nachlass hinzugerechnet werden und somit Auswirkungen auf die Höhe des Pflichtteils haben.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Pflichtteil bei einer Enterbung nicht automatisch entfällt, sondern auch in diesem Fall geltend gemacht werden kann. Allerdings gibt es hierbei einige Einschränkungen und Besonderheiten zu beachten, die im Einzelfall geprüft werden müssen.

Es gibt verschiedene Ausnahmen und Umstände, die die Berechnung des Pflichtteils beeinflussen können. Hier sind einige wichtige Punkte zu beachten:

  1. Enterbungen: Wenn ein Erblasser bestimmte gesetzliche Erben bewusst enterbt hat, haben die Enterbten keinen Anspruch auf den Pflichtteil.
  2. Testamentarische Verfügungen: Wenn der Erblasser in seinem Testament eine testamentarische Verfügung vorgenommen hat, die den Pflichtteil beeinflusst, kann dies Auswirkungen auf die Berechnung haben. Zum Beispiel kann der Erblasser einen geringeren Pflichtteil bestimmter Personen festlegen oder auch andere Personen als Pflichtteilsberechtigte bestimmen.
  3. Schenkungen: Im Fall von Schenkungen kann der Wert dieser Schenkungen auf den Pflichtteil angerechnet werden. Es kann also sein, dass der Pflichtteil entsprechend reduziert wird, wenn Schenkungen in der Vergangenheit gemacht wurden.
  4. Testamentsvollstreckung: Wenn der Erblasser eine Testamentsvollstreckung angeordnet hat, kann dies Auswirkungen auf die Auszahlung des Pflichtteils haben. Der Pflichtteilsberechtigte kann seinen Anspruch möglicherweise nicht sofort geltend machen, sondern muss warten, bis die Testamentsvollstreckung abgeschlossen ist.

Beachten Sie jedoch, dass dies nur allgemeine Informationen sind und dass es im Erbrecht viele komplexe Regelungen gibt. Im konkreten Fall ist es empfehlenswert, einen Rechtsanwalt oder Notar zu konsultieren, um die genaue Berechnung des Pflichtteils zu klären.

Das Berliner Testament und der Pflichtteil

Das Berliner Testament ist eine spezielle Form des gemeinschaftlichen Testaments, die häufig von Ehepartnern genutzt wird. Hierbei setzen sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehepartners die gemeinsamen Kinder das Erbe erhalten. Durch diese Regelung wird der Pflichtteil der Kinder oft vollständig oder teilweise ausgeschlossen.

Allerdings ist zu beachten, dass das Berliner Testament den Pflichtteilsberechtigten dennoch einen Anspruch auf ihren Pflichtteil einräumt. Der Anspruch auf den Pflichtteil bleibt bestehen und kann geltend gemacht werden, wenn der Ehepartner die Kinder enterbt oder das Vermögen vor dem Tod des Ehepartners verschwendet oder verschenkt hat.

Das Berliner Testament hat also Auswirkungen auf den Pflichtteil, bietet jedoch keine Garantie, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch vermieden werden kann. Erblasser sollten sich daher im Vorfeld gut überlegen, ob das Berliner Testament die richtige Wahl für sie ist.

Ein Beispiel verdeutlicht dies: Nehmen wir an, ein Ehepaar hat zwei Kinder und hat ein Berliner Testament aufgesetzt. Beim Tod des ersten Ehepartners erbt der überlebende Ehepartner das gesamte Vermögen. Die Kinder erhalten in diesem Fall nichts. Der Pflichtteil der Kinder wird jedoch nicht sofort fällig, sondern erst beim Tod des überlebenden Ehepartners.

Der Pflichtteil der Kinder wird dann grundsätzlich nach den gesetzlichen Bestimmungen berechnet, als wären sie beim Tod des ersten Ehepartners bereits verstorben. Es wird also der gesetzliche Erbteil der Kinder ermittelt und davon die Hälfte als Pflichtteil ausgezahlt.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die konkrete Ausgestaltung des Berliner Testaments und die genauen Regelungen zum Pflichtteil im konkreten Fall von verschiedenen Faktoren abhängen können, wie beispielsweise den genauen Formulierungen im Testament oder speziellen Familienverhältnissen. Daher empfiehlt es sich, bei einem Berliner Testament und dem Thema Pflichtteil juristischen Rat einzuholen, um die individuellen Regelungen und Auswirkungen zu klären.

Beispielrechnung: Wie hoch ist der Pflichtteil bei 3 Kindern und 150.000 Euro Erbe?

Um die Höhe des Pflichtteils zu berechnen, ist es wichtig, den gesetzlichen Erbteil zu bestimmen. Bei drei Kindern beträgt der gesetzliche Erbteil des jeweiligen Kindes ein Drittel des Nachlasses. Daraus ergibt sich ein gesetzlicher Erbteil von insgesamt einem Drittel des Nachlasses.

Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also 1/6 des Nachlasses. Wenn der Nachlass beispielsweise 150.000 Euro beträgt, ergibt sich ein Pflichtteil von 25.000 Euro pro Kind. Die Kinder hätten also einen Anspruch auf insgesamt 75.000 Euro (3 x 25.000 Euro) als Pflichtteil.

Fazit

Der Pflichtteil im Erbrecht ist ein wichtiger Aspekt, den Erblasser bei der Testamentserstellung und Nachlassplanung berücksichtigen sollten. Der Pflichtteil steht bestimmten Angehörigen des Erblassers zu, auch wenn sie vom Erblasser enterbt wurden. Die Höhe des Pflichtteils ist gesetzlich festgelegt und kann je nach individueller Situation variieren.

Es gibt jedoch Ausnahmen und Besonderheiten zu beachten, wie beispielsweise bei Schenkungen oder beim Berliner Testament. Auch wenn das Berliner Testament den Pflichtteilsergänzungsanspruch vermeiden soll, gibt es hierbei keine Garantie. Erblasser sollten daher im Vorfeld sorgfältig abwägen, welche Regelungen sie treffen möchten und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen.

FAQ zum Thema Pflichtteil

  1. Was ist ein Pflichtteil?

    Der Pflichtteil ist der Teil des gesetzlichen Erbanspruchs, der bestimmten Angehörigen des Verstorbenen zusteht, auch wenn sie im Testament von der Erbschaft ausgeschlossen wurden. Es handelt sich dabei um die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

  2. Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?

    Pflichtteilsberechtigt sind die nächsten Angehörigen des Verstorbenen: Das sind in der Regel die Kinder, der/die Ehegatt*in oder der/die eingetragene Lebenspartner*in und, falls keine Kinder vorhanden sind, die Eltern des Verstorbenen.

  3. Kann man den Pflichtteil entziehen?

    Der Pflichtteil kann nur in sehr seltenen Fällen und aus schwerwiegenden Gründen entzogen werden, etwa bei schweren Verfehlungen gegen den Erblasser oder dessen nahe Angehörige. Eine Entziehung muss testamentarisch verfügt sein und bedarf einer klaren Begründung.

  4. Wie berechnet sich der Pflichtteil?

    Der Pflichtteil bemisst sich nach der Höhe des gesetzlichen Erbanspruchs. Um den Wert des Pflichtteils zu berechnen, wird zunächst der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Todes festgestellt und dann der entsprechende Prozentsatz ermittelt, der dem Pflichtteilsberechtigten zusteht.

  5. Was gehört alles zum Nachlass?

    Zum Nachlass gehören grundsätzlich alle Vermögenswerte und Schulden des Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes, einschließlich Immobilien, Kontoguthaben, Wertpapiere, Fahrzeuge, Unternehmen und auch Lebensversicherungen, sofern die Erben bzw. der Nachlass als bezugsberechtigt eingesetzt sind.

  6. Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

    Der Pflichtteilsergänzungsanspruch soll den Pflichtteil schützen, falls der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat, die das Erbe schmälern. Allerdings mindert sich dieser Anspruch pro Jahr nach der Schenkung um 1/10, d. h. nach zehn Jahren besteht kein Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr.

  7. Wie und wann wird der Pflichtteil geltend gemacht?

    Der Pflichtteil muss beim Erben durch den Pflichtteilsberechtigten eingefordert werden. Dies kann formlos geschehen, allerdings ist zu empfehlen, dies schriftlich zu tun. Der Anspruch verjährt drei Jahre nach Kenntnis des Erbfalls und des eigenen Anspruchs darauf.

  8. Kann man den Pflichtteil im Vorfeld ausschließen?

    Eine vollständige Ausschließung des Pflichtteils ist nicht möglich, außer es liegt ein gerichtlich anerkannter Pflichtteilsverzichtsvertrag vor, den der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten des Erblassers unterzeichnet hat.

  9. Gibt es Ausnahmen beim Pflichtteil?

    Besondere testamentarische Regelungen wie das Berliner Testament, um einen Pflichtteil zu vermeiden. Eine Garantie gibt es allerdings nicht. Schenkungen können die Höhe des Pflichtteils beeinflussen.

Beachten Sie, dass die gesetzlichen Regelungen zum Pflichtteil komplex sind und sich im Laufe der Zeit ändern können. Außerdem können Unterschiede bestehen, je nachdem, ob Sie sich auf die Rechtslage eines spezifischen Landes beziehen. Es ist immer empfehlenswert, für konkrete Fälle einen Fachanwalt für Erbrecht zu konsultieren.